NOW AND THEN wäre wahrlich kein guter Liebhaber, denn so was wie ein Vorspiel gibt’s hier nicht! Schon in der Eröffnungsszene rennt Protagonist Shú uns - respektive die Kamera – fast über den Haufen, um pünktlich zu einem Kendo-Kampf zu erscheinen. Leider ist Shús Kampfstil relativ…na sagen wir mal „spontan“, was ihm prompt eine Niederlage einbringt. Um wieder Selbstbewusstsein zu tanken, klettert Shú anschließend auf einen alten Fabrikturm, weil sich das außer ihm keiner seiner Freunde traut. Etwas überrascht stellt Shú fest, dass auf dem Nachbarturm ein junges Mädchen sitzt. Mit einiger Mühe erfährt Shú von dem schüchternen Mädchen, dass es Lala Ru heißt, da reißt auch schon der Himmel auf und ein Trupp Soldaten mit riesigen Robotern will Lala Ru zu entführen. Shú versucht in seiner unbesonnenen Art zwar alles, um Lala Ru zu helfen, doch das bringt ihm lediglich ein Gratisticket zu einem fremden Planeten ein. Der anschließende Fluchtversuch verläuft ebenfalls wenig erfolgreich und ab jetzt hört bei NOW AND THEN der Spaß auf.

Denn die Welt, in der Shú gelandet ist, ist kein Ponyhof. Der völlig neurotische Despot Hamdo hat Lala Ru entführen lassen, weil sie in der Lage ist Wasser zu erschaffen und eben diese Ressource in Hamdos Reich ziemlich knapp ist. Während Lala Ru notfalls auch mit Gewalt zur Zusammenarbeit gezwungen werden soll, wird Shú in Hamdos Armee von Kindersoldaten eingegliedert. Oder besser gesagt: es wird versucht Shú einzugliedern. Denn Shú ist zwar ein hitzköpfiger Raufbold, vor allem aber ist er ein aufrichtiger und herzensguter Mensch, der schwer unter der Gewalt und Unterdrückung des totalitären Systems leidet. Shú weigert sich für Hamdo zu töten und beschließt zusammen mit Lala Ru zu fliehen.

NOW AND THEN konfrontiert den Zuschauer mit Themen wie Folter, Vergewaltigung, Kriegsverbrechen, Vertreibung, Hass, Extremismus, Märtyrertod, Umweltzerstörung und Kindersoldaten. Zwar wird die Erzählung immer mal wieder durch Actionszenen aufgelockert, doch die Serie schlägt einen sehr ernsten und nachdenklichen Ton an. Besonders die Beziehung zwischen dem naiven und lebensfrohen Shú und seinem desillusionierten und hoffnungslosen Truppenführer Nabuca ist mitreißend und überzeugend. Immer wieder merken diese so unterschiedlichen Charaktere, dass sie im Grunde sehr viel gemeinsam haben. Das größte Plus der Serie ist die hervorragende Charakterausarbeitung. Fernab von Klischees und Schwarz-Weiß-Malerei werden glaubwürdige, vielschichtige Figuren geboten, welche die Handlung und das Anliegen der Serie transportieren. Wenn selbst der stets optimistische und friedliche Shú an seinen Idealen zweifelt und das Sinnen auf Rache von Hinterbliebenen zu verstehen beginnt, wird das ganze Ausmaß der Gewaltspirale spürbar. Und selbst bei dem geisteskranken Hamdo muss man sich immer fragen, ob seine Ziele so niederträchtig sind, wie es seine Methoden glauben machen.

Die Endzeitwelt von NOW AND THEN, die an NAUSICAÄ erinnert, sieht nach heutigen Maßstäben allenfalls durchschnittlich aus und auch die Charakterzeichnungen sind eher zweckmäßig als detailliert. Das stimmige Szenario, gute Animationen und der ansprechende Zeichenstil lassen diese Mankos aber weitgehend vergessen und höchstens Grafikpuristen unbefriedigt. Die Serie wirkt stets wie aus einem Guss. Die Umsetzung der DVD-Box ist leider ebenfalls nur durchschnittlich. Die unübersichtliche Menuführung und die fehlende deutsche Synchronisation schmälern den Gesamteindruck leider, dafür ist die Gestaltung der Box sehr gut gelungen.

Nichts desto trotz, NOW AND THEN bietet so viele große, tragische, dramatische und schockierende Momente, wie kaum eine andere OVA. Die Charaktere - inklusive eines extrem sympathischen Protagonisten – sind stark, die Story nie langweilig und die Denkanstöße wirken weder erzwungen noch aufgesetzt. Eine Serie, die auch nach dem Abspann noch lange im Gedächtnis bleibt. Viel besser geht es nicht.

Now and then, here and there
FSK 16 (DVD 3 ab 12)
Laufzeit: 13 Episoden á 24 Minuten
Wertung: 9 von 10