Dienstag, 18. Dezember 2007

Twin Peaks Special

Pünktlich zum Fest gibt es noch ein Special. Im Rekordtempo von 1,5 Wochen habe ich mich durch die 10 DVDs der neuen TWIN PEAKS DEFINITVE GOLD BOX EDITION gearbeitet und das Gesehene in diesem kleinen Text verarbeitet>>

TWIN PEAKS – The owls are not what they seem

twin-peaks-3Als TWIN PEAKS 1991 zum ersten Mal in Deutschland ausgestrahlt wurde, war ich gerade zehn Jahre alt. Das ist zugegebenermaßen etwas jung, um sich als Fan der ersten Stunde zu bezeichnen. Doch Eines ist mir noch sehr stark in Erinnerung: Der enorme Hype, der bereits sehr früh um die Serie entstand. „Wer tötete Laura Palmer“? Das fragten sich nach dem Pilotfilm nicht nur in den USA, sondern sehr bald weltweit Millionen von Fans. Warum musste dieses hübsche, beliebte junge Mädchen auf so furchtbare Weise sterben? Mark Frost und David Lynch, die Erfinder von TWIN PEAKS, hatten ganz offensichtlich einen Nerv beim Publikum getroffen. Spannung und Neugier sind die Zutaten, die TWIN PEAKS zum allgemeinen Gesprächsthema, ja zu einem regelrechten Phänomen machten. Neugier und Spannung, so etwas soll in jüngster Zeit häufig durch Virales Marketing und am besten bereits vor der Erstausstrahlung eines Films oder einer Serie erzeugt werden. Frost und Lynch gelang dieses Kunststück auf eine konventionellere Art: sie drehten einfach einen phänomenalen Pilotfilm.

Die Story

Alles beginnt mit besagtem Mord an der Schülerin Laura Palmer. Das Verbrechen schlägt hohe Wellen in der 50.000 Seelen-Gemeinde TWIN PEAKS im Norden der USA nahe der kanadischen Grenze (die Stadt sollte übrigens ursprünglich nur 5.000 Einwohner haben. Die Zahl wurde auf Druck des Senders ABC verzehnfacht. Tatsächlich wirkt die Größe der Stadt allerdings so überschaubar, wie Frost und Lynch es geplant hatten). Das FBI schickt Special Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) in das entlegene Nest, um den Fall aufzuklären. Ihm zur Seite stehen Sheriff Harry S. Truman (Michael Ontkean), mit dem Cooper sich schnell anfreundet, sowie die Deputies Andy (Harry Goaz) und Hawk (Michael Horse). Den ersten Zugang zur Lösung des Falls liefert ihnen Lauras Tagebuch. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich sehr bald heraus, dass Laura nicht nur ein Drogenproblem hatte, sondern auch regelmäßig sexuellen Kontakt mit mehreren Männern pflegte. Die Suche nach Lauras Mörder wird somit auch zur Suche nach der zweiten Seite ihres geheimen Doppellebens. Verdächtige gibt es dabei wie Sand am Meer.
Denn TWIN PEAKS ist nur sehr vordergründig der wunderbar beschauliche Ort, den Agent Cooper anfänglich in der Stadt sieht. Die Palette der kriminellen Aktivitäten reicht von Drogenschmuggel und Prostitution, über Entführung und Erpressung, Brandstiftung, weitere Mordanschläge et cetera. Die Überführung des Mörders bietet den roten Faden der Erzählung, dominiert diese jedoch nicht. Die vielen weiteren Verbrechen und Geheimnisse erschweren die Klärung des Falls und lenken den Fokus sukzessive auf völlig andere Aspekte.

Agent Cooper (Kyle MacLachlan) und Sheriff Truman (Michael Ontkean) Leland und Sarah Palmer (Ray Wise und Grace Zabriskie)

Irgendwie anders

Denn TWIN PEAKS ist viel mehr als eine Krimiserie über die Aufklärung eines Mordes. Frost und Lynch wollten den Mord an Laura Palmer niemals aufklären. Wieder erfolgte die Änderung auf Druck von ABC. Man meinte dem Zuschauer am Anfang der 2. Staffel endlich eine Auflösung präsentieren zu müssen, nahm der Serie damit allerdings lediglich viel von ihrer Faszination. Sowohl Lynch als auch Frost haben diesen Schritt als traurigste Erfahrung während der Entstehung von TWIN PEAKS bezeichnet. Dem Sender ABC nützte die Entscheidung ebenfalls nicht, denn die Quoten sanken. Offenbar waren viele Zuschauer ohne das Mysterium des ungeklärten Mordfalls weniger empfänglich für die ungewöhnliche Machart der Serie und verloren mit der Aufklärung vollends das Interesse. Aufgegeben hatte ABC die Serie indessen schon vorher. Eine geplante dritte Staffel wurde gestrichen und teilweise in den zweiten Teil der zweiten Staffel integriert.

Der Lynch-Faktor

David Lynch hat eine fast schon beängstigende Vorliebe für Oberflächen und Strukturen jeglicher Art. Bereits 1986 hatte er – eingeleitet durch einen legendären Kamerazoom in ein abgetrenntes Ohr – einen Blick unter die Oberfläche einer amerikanischen Kleinstadt geworfen. Jeffrey Beaumont in BLUE VELVET und Agent Cooper in TWIN PEAKS (beide gespielt von Kyle MacLachlan) entdecken auf vielfache Weise die dunklen, bösartigen, mysteriösen, grausamen, maroden Seiten des Lebens. Die dunklen Abgründe hinter der Fassade aus weißem Gartenzaun, Perlweiß-Lächeln und vorgetäuschter Unschuld. Das interessante an diesem Spiel: obwohl in TWIN PEAKS oberflächlich im wahrsten Sinne des Wortes Jeder Jeden zu kennen scheint, haben doch alle Figuren auch ihre Geheimnisse und eine andere Seite. Intrigen sind eine wichtige Zutat von TWIN PEAKS.

Doch Intrigen boten ja auch DALLAS, DER DENVER CLAN und was es bis zu Beginn der 90er Jahre sonst noch an grauenhaften Serien für die deprimierte Hausfrau gab. Was also macht TWIN PEAKS bis heute so besonders? Zum einen ist es die Ironie, mit der gängige Seifenoper-Klischees integriert wurden. Als Beispiel seien hier nur die zahlreichen Verhältnisse diverser Figuren genannt, die herrliche Seitenhiebe auf den ewigen Wer-mit-Wem-Einheitsbrei unzähliger Vorgänger- und Nachfolgerserien darstellen.
Weiterhin sind es natürlich die Elemente des Fantastischen, die zum Großteil auf das Konto von David Lynch gehen und die gesamte Palette von leicht schräg bis äußerst bizarr abdecken. Agent Coopers Hang zu Yoga und seine Spiritualität wirken noch recht amüsant und harmlos. Auch Coopers fortlaufende Berichterstattung für seine Assistentin Diane via Diktiergerät ist ein grandioser running-gag. Wenn beispielsweise Coopers erster Griff nach dem Wachwerden dem Diktiergerät gilt, er selbst in Todesgefahr noch seinen Rapport abgeben will und immer wieder persönliche, sarkastische Kommentare einstreut, sind das sehr launige Momente, die im gesamten Verlauf nicht an Reiz verlieren. Coopers Einführung im Pilotfilm, bei dem das Diktiergerät ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, ist schlichtweg genial und legt den Grundstein für die ungeheure Faszination, die von dieser Figur ausgeht. Kyle MacLachlan sagt bis heute, dass dies seine Lieblingsrolle ist. Wer ihn in TWIN PEAKS spielen sieht, wird dies nicht bezweifeln.
Viele der weiteren Elemente, die der Kenner ohne große Mühe in das Oeuvre von Lynch einordnen können sollte, kommen sehr viel ausgefallener daher und lösen nicht selten Angst und Beklemmung aus. Doppelgänger, Riesen, Zwerge, Visionen, Wahrsager, rückwärts sprechende Figuren, Geister, die obligatorischen roten Vorhänge und vieles mehr fügen sich – bei aller Fremdartigkeit – scheinbar nahtlos in die ansonsten sehr real wirkende Welt von TWIN PEAKS ein.

Feines Handwerk und die Auswirkungen

Natürlich stellen die Elemente des Fantastischen auch die visuellenLaura Palmer (Sheryl Lee) Höhepunkte von TWIN PEAKS dar, wie dies ja in den meisten anderen Filmen und Serien der Fall ist. Vor allem durch sie bekommt die Serie einen sehr eigenständigen, unverwechselbaren Look, der durch die faszinierende Landschaft North Dakotas nochmals verstärkt wird. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der TWIN PEAKS von allem, was vorher im TV zu sehen war, unterscheidet. Ausstattung, Kameraführung und Optik orientierten sich nur selten an gängigen Sitcoms oder Seifenopern, und auch dann nur, um diese zu persiflieren. Das eigentliche Vorbild war der Film. Dies sorgt dafür, dass TWIN PEAKS auch nach heutigen Maßstäben immer noch sehr fesch aussieht. Quasi mit einem Handstreich wurde das Format für TV-Serien revolutioniert. Herausragende Serien wie AKTE X, LOST oder DIE SOPRANOS kopierten und perfektionierten diese Optik. Gleichzeitig bedienten sie sich auch mehr oder weniger an Stilmitteln wie übernatürlichen Erscheinungen, Traumdarstellungen und teilweise bis zuletzt ungeklärten Rätseln. Lynch selbst wollte 1999 erneut für ABC eine Serie namens MULHOLLAND DRIVE inszenieren. Als das Projekt scheiterte, schuf er aus den Fragmenten in meisterhafter Weise den gleichnamigen Kinofilm.

TWIN PEAKS ist insgesamt humoriger und weniger sperrig als Lynchs spätere Werke, obwohl in diesen viele Elemente aus der berühmten Kleinstadt wieder auftauchen. Zu Beginn der 2. Staffel geht einiges an Spannung und Atmosphäre verloren, das erst langsam und nie vollständig wieder aufgebaut wird. Versöhnlich stimmt vor allem die letzte, wieder unter der Regie von David Lynch entstandene Episode mit dem abgefahrensten Finale der TV-Geschichte. Trotzdem bleibt die traurige Gewissheit, dass TWIN PEAKS bei freier kreativer Entfaltung noch bahnbrechender geworden wäre.
Schlappe 17 Jahre nach der Erstausstrahlung ist nun endlich die DEFINITVE GOLD BOX EDITION verfügbar. Auf satten 10 DVDs sind der Pilotfilm und alle 29 Episoden der 1. und 2. Staffel inklusive sämtlicher Log Lady Intros enthalten. Dazu gibt es mehrstündige Dokumentationen und gleichermaßen umfangreiche wie interessante Extras. Das Bild wurde neu überarbeitet und lässt die angestaubte Optik in völlig neuem Glanz erscheinen. Die Originaltonspur bekam sogar eine 5.1-Abmischung, während der deutsche Ton weiter im passablen 2 Kanal stereo erklingt. Das einzige Manko an dieser fantastischen Edition ist das Fehlen des oft zu Unrecht verschmähten Prequel-Films FIRE WALK WITH ME.


Twin Peaks - Definitve Gold Box Edition
Laufzeit: 1536 Minuten
Freigabe: FSK 16
Wertung: Staffel 1 10/10
Staffel 2 9/10

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