Sonntag, 20. September 2009

Ein Bastard von einem Film

Es wurde viel berichtet über Lars von Triers Depression, seinen Zweifeln, jemals wieder auf dem Regiestuhl Platz nehmen zu können und der Verarbeitung dieser Krankheit in seinem neuen Film ANTICHRIST. Ebenso machte das Wort "Skandalfilm" nach der Uraufführung in Cannes die Runde und nicht zuletzt wurde Hauptdarstellerin Charlotte Gainsbourg für ihre Tour de force in den nordrhein-westfälischen Wäldern - übrigens völlig zu Recht - mit dem Preis als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Der Prolog des Films zeichnet in schwarz-weißen Super-Slow-Motion-Bildern, unterlegt von einer händelschen Opernarie, die schreckliche Ausgangssituation: Während er (Willem Dafoe) und sie (Charlotte Gainsbourg) dem ehelichen Koitus frönen, verlässt der gemeinsame Sohn das Kinderbettchen, um zielstrebig auf ein Fenster zuzusteuern und seinem jungen Leben ein Ende zu bereiten. So profan das klingen mag, Lars von Trier inszeniert bereits zum Einstieg einige der betörendsten und eindringlichsten Minuten Film, die je auf Zelluloid gebannt wurden.
Doch damit ist das Pulver keinesfalls verschossen. Während der eher kühle Analytiker und Therapeut den Tod des Stammhalters vergleichsweise gut verkraftet, droht sie an der Trauer zu zerbrechen. Nach einem Monat stationärer Behandlung und wenig Besserung holt er sie nach Hause, setzt sämtliche Medikamente ab und beginnt damit, seine eigene Frau zu therapieren. Ebenso schnell, wie er seinen Vorsätzen zuwider handelt (z.B. als er ihrem Wunsch nach Schmerz betäubendem Sex nachkommt), stellt sich heraus, dass der Ursprung ihrer Ängste in "Eden" zu liegen scheint. An diesem Ort, genauer gesagt in einer Blockhütte im Wald, hatte sie im vergangenen Sommer an ihrer Dissertation gearbeitet und dabei viel Zeit alleine mit ihrem Sohn verbracht.
Die beiden machen sich auf den Weg nach Eden, um der Angst ins Auge zu blicken. Wie wörtlich dieses Vorhaben zu nehmen ist, wird sich sehr bald zeigen und immer mehr tritt die Frage in den Vordergrund, was im letzten Sommer in Eden geschehen ist...
Was nun folgt bedient die gesamte Bandbreite von Kameraeinstellungen und Geräuschen im Stile eines David Lynch, Bildkompositionen á la Hieronymus Bosch, sprechende Tiere, sterbende Tiere, wiederauferstehende Tiere, biblische Verweise, Mystery, Gore, Grusel, Symbolik und natürlich Sex! Das allein würde vermutlich schon für gute Unterhaltung sorgen, doch von Triers Inszenierung ist derart intensiv und kraftvoll, so unwiderstehlich packend, dass der Film eine unglaubliche Sogwirkung entfaltet. Als Zuschauer weiß man nie, was einen als nächstes erwartet und recht schnell wird klar, dass man wirklich mit so ziemlich allem rechnen muss! Dabei driftet das Geschehen aber nicht ins Beliebige/Absurde ab oder schmälert das Sehvergnügen durch ereignislose Minuten im Arthaus-Stil. Der Film ist beinhart, in einigen Szenen tatsächlich schwer zu ertragen. Gleichzeitig aber auch sehr einfühlsam und glaubwürdig in der Darstellung der Trauer um das verlorene Kind. Und vor allem: misteriös. Nicht von ungefähr zweifelt Willem Dafoe in einer Schlüsselszene, ob er das Wort "Satan" oder "Me" an die Spitze der Angstpyramide schreiben soll; ist hier eine böse Macht im Spiel, oder entsteht die Angst lediglich im Kopf der Menschen? Eindeutige Antworten, dafür sorgt nicht zuletzt der verwirrende Epilog, sucht man vergebens, doch Interpretationsansätze liefert der Film en masse. Zudem tritt diese Frage zunehmend in den Hintergrund, wenn die Angst mehr und mehr auf den Zuschauer übergreift. Manch einen wird die Gewaltdarstellung abschrecken, andere werden sich an den fantastischen Elementen stören. Wieder andere werden sich über die expliziten Sexszenen echauffieren oder einfach nur irritiert und kopfschüttelnd den Kinosaal verlassen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ANTICHRIST ein visuell beeindruckender, inhaltlich verstörender und als Gesamtwerk schlicht und ergreifend einer, wenn nicht der beste Horrorfilm der letzten Jahre ist.

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